Run & Run
Gedichte
isbn: 3-216-30570-8
Rezension
In dem neuen Gedichtband von Waltraud Haas („RUN & RUN“, Deuticke) wird auf äußerst originäre und originelle Art der Beweis erbracht, daß dem fernöstlichen Sein etwa in Form eines Haiku oder Mondo doch ein Gegenpart im Westen geliefert werden kann. In nicht einmal siebzehn Silben gelingt es nämlich da der Haas Situationen einzufangen, eine Art Wortsirup zu liefern. Unwillkürlich denkt der Leser dabei vielleicht an Arno Schmidts einst getätigte Aussage, daß der Leser genügend Wasser in sich habe, dieses müsse der Autor also nicht mitliefern.
Waltraud Haas‘ Gedichte scheinen entschlackt bis auf den Kern, das Wesentlichste. Einige dieser sind noch dazu mit einem kräftigen Schuß Selbstironie versehen, sodaß die Lektüre eine durchaus kurzweilige ist. Mein Lieblingsgedicht trägt den Titel „Wanderer“ und enthält in den versammelten zwölf Wörtern ein Porträt, das knapper und eindringlicher nicht ausfallen hätte können.
Die meist melodisch-melancholisch und dunkel gehaltenen Verse, an denen die Autorin gewiß lange und intensiv gearbeitet hat – bis alles gleichsam Nebensächliche entfernt war, umkreisen ein lyrisches Ich wie entfernte Himmelskörper, die doch so nahe sind.
Lapidar könnten einige Mitteilungen für den Außenstehenden und Unbedarften wirken, die indes aus dem Epizentrum des poetischen Bebens und Lebens gereift und geformt sind. Etwa: „am fuße des vulkans / läßt sich’s leben“. Die zum Großteil in epigrammatischer Kürze einherkommenden Gedichte der Waltraud Haas sind jedoch alles andere als einfach, in ihrer Komplexität mögen sie einen eher an ein äußerst exotisches Gedankengut erinnern. Eins mit ihren „weggefährten“, „menschen / die sich in der dunkelheit / schälten / um wieder nebelgestalt / anzunehmen“, durchzieht die Lyrikerin Räume und Zeiten, stetsbestrebt, alles rundum auf den exakten Punkt der Wahrnehmung zu bringen, zwar „müde des laufs“, doch enorm weltsichtig.
Gerhard Jaschke